In Zeiten von Corona ist alles anders… die Pandemie stellt uns alle gerade vor große Herausforderungen. Die Jugendarbeit in euren Vereinen und Verbänden sowie in unseren Jugendzentren kann zurzeit nur – wenn überhaupt – eingeschränkt stattfinden, der Aufwand für diese Arbeit ist unglaublich hoch und kostet uns alle viel Zeit und Energie. Den Vorteil, den […]
Eigentlich war alles anders geplant: Die Freiwilligen des Kreisjugendring Miesbach treffen sich an einem idyllischen Örtchen nahe Oberaudorf, direkt am Luegsteinsee, übernachten dort gemeinsam, verpflegen sich selbst, sitzen abends gemeinsam am Lagerfeuer zusammen und arbeiten tagsüber im großen Stuhlkreis, in Kleingruppen, in Zweierteams. Improtheater und Selbsterfahrung stand auf dem Programm. Doch dann kam Corona.
Schnell war klar: So wird das nicht stattfinden können. Und so wurde improvisiert – jedoch nicht theatral sondern programmatisch und methodisch. Wie schafft man es, dass ein fünftägiges, eigentlich sehr erlebnispädagogisch ausgerichtetes Seminar im virtuellen Raum nicht völlig ermüdend und nervenaufreibend wird? Schafft man es überhaupt? Die Bedenken und Zweifel an der Möglichkeit und Sinnhaftigkeit ein FSJ-Seminar ganztags online als Webinar zu gestalten (wobei Webinare in der Regel nicht länger als eineinhalb Stunden sind) waren zunächst groß und auch von Seiten der jungen Freiwilligen waren die Erwartungen nicht vorhanden bis niedrig.
Eine gute Vorbereitung und eine intensive Recherche im Internet nach interaktiven Tools, Möglichkeiten ein Jugendhaus virtuell abbilden zu können und nach geeigneten Referenten ermöglichten jedoch das vor Monaten noch Undenkbare und so kam es glücklicherweise nicht zu einer nur negativen Erfahrung wie erwartet. Ja, es gab technische Probleme und ja, technischer Support, sowie gute Nerven waren von Nöten. Einzelne flogen immer wieder aus den Räumen, weil das Internet zu schlecht war, die Kamera wollte nicht mehr filmen und man hörte plötzlich jemanden nicht mehr. Insbesondere der Start in die Woche am Montag war für viele eine technische Geduldsprobe und gleichzeitig ein persönlicher Lernschritt in unsere immer digitaler werdende Welt. Es stellte sich immer mehr heraus, dass die Nutzung von Alltagsmedien im routinierten Umgang tatsächlich noch nicht dazu führt, dass man von der Ausstattung und dem Wissen her problemlos an derlei Veranstaltungen teilnehmen kann, die urplötzlich ausschließlich im digitalen Raum stattfinden. Glücklicherweise hatten alle die Hardware und Software, um an dem Seminar überhaupt teilnehmen zu können – auch das ist keine Selbstverständlichkeit, wie viele Lehrer*innen und Schüler*innen derzeit durch Homeschooling erfahren haben. Und so lag es nahe, dass am Montag erst einmal mit genau diesem Thema begonnen wurde: Was hat diese Zeit mit mir gemacht und was macht sie noch mit mir? Was hat sich in meinem Leben verändert, was habe ich daraus gelernt und was nehme ich aus dieser Zeit für mich mit? Sehr tiefgehend und reflektiert setzten die Freiwilligen sich zunächst alleine und später im Plenum mit den eigenen Erfahrungen in dieser besonderen Zeit auseinander, wobei sehr unterschiedliche Aspekte zu Tage traten und der Tenor bemerkenswerter Weise eher positiv klang: Die Zeit des Innehaltens zuhause bot demnach auch Möglichkeit sich selbst neu zu entdecken, es taten sich neue Prioritäten auf und es schuf viel Zeit die eigene Zukunft zu planen.
In diesem Geiste, das Beste aus der Situation zu ziehen und dem Neuen dadurch eine Chance zu geben, verlief das ganze weitere Seminar. Es war eine unheimlich lehrreiche Zeit und bereits am Dienstag klappte alles wesentlich besser und lief entspannter. Der professionelle Umgang mit den neuen Programmen stellt sich schnell ein und auch eine gewisse technische Fehlerfreundlichkeit wurde schnell erlernt und so wurde inhaltlich vieles geschafft. Die Freiwilligen schufen in den fünf Tagen ihre eigenen filmischen Werke, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Eine Satire-Nachrichtensendung, ein Nachhaltigkeits-Erklärvideo für Grundschüler, einen Krimi und eine Zeitreise durch den Alltag einer Freiwilligen mit Corona. Alle Filme wurden von der Idee, über das Storyboard bis hin zum Dreh, dem Schnitt und der Filmmusik von den Freiwilligen selbstständig gemeistert und die Ergebnisse können sich dabei wirklich sehen lassen. Begleitet von Mathias Huber, der mit Rat und Tat bei Fragen rund um die technische Umsetzung der Ideen zur Seite stand, und Tom Ditz, der als Schauspieler für die theatralen Inhalte, sowie für die packende Geschichtenentwicklung gerne um Rat gefragt wurde, erarbeiteten die Freiwilligen sich ihr Wissen Stück für Stück selber. Learning by doing in Bestform.
Mit diesen mannigfaltigen digitalen neuen Erfahrungen kehren die Freiwilligen nun an ihre Einsatzstellen zurück und setzten das ein oder andere auch dort mit den Kindern und Jugendlichen um. Ideen sind bereits viele in der Woche entstanden und das nötige Equipment durch die freie Software, die für die Filmprojekte genutzt wurde, steht den Freiwilligen auch dauerhaft zur Verfügung.
Als pädagogische Begleitung können wir von daher folgendem Fazit ziehen: Wir sind unheimlich dankbar für die Offenheit und Neugier, die unsere Freiwilligen diesem Online-Experiment entgegengebracht haben und freuen uns umso mehr, dass die gemeinsame Zeit so positiv war. Diese Form der Bildungsangebote ist im Bereich der Jugendarbeit noch in Kinderschuhen und braucht eine praktische Phase mit viel Ausprobieren und Verwerfen und neu Ausprobieren. Klar wurde dabei jedoch, dass auch online – wenn alle technischen Barrieren genommen wurden – ein wirklich produktives und gleichzeitig spaßiges Zusammensein möglich ist. Wir als Kreisjugendring wollen aus diesem Grund gerne stärker auf die Vernetzung in diesem Bereich setzen und die praktischen Ideen, die nun überall aus dem Boden gestampft werden, für unsere Freiwilligen, aber auch für unsere Vereine und Verbände bündeln und so dazu beitragen, diese Schätze zu heben. Hier liegt viel ungenutztes Potential brach, wobei immer klar sein darf, dass die Technik an sich kein Selbstzweck ist, sondern bei der Erreichung eins pädagogischen Ziels hilfreich sein kann. Und so war Medienpädagogik selbstverständlich auch ein Teil des Seminars.
Für den diesjährigen und den nächstjährigen Freiwilligenjahrgang bedeutet diese Zeit weiterhin viel Flexibilität, um nicht zu sagen Ungewissheit, was da kommen wird. Werden die Seminare auch zukünftig online stattfinden oder wird es eine Mischung aus Präsenzseminaren und online-Schulungen geben? Wie geht es in den Einsatzstellen weiter? Den Kindergärten, Schulen, Horten und Sportvereinen? Unsere vier Jugendzentren haben indessen bereits ihre Räume ins virtuelle Netz gestellt, in welchen die Jugendlichen sich nun wieder treffen und pädagogischen Rat finden können. Auch hier ist ein Freiwilliges Soziales Jahr möglich und sicherlich weiterhin spannend.
Wer sich mit uns auf die Reise machen möchte zu entdecken, wie das Freiwillige Soziale Jahr sich ab September mit einem neuen Jahrgang entwickeln wird, ist herzlich eingeladen! Klar ist dabei, dass es auch weiterhin eine großartige Möglichkeit ist, sich weiterzuentwickeln, beruflich zu orientieren, gestärkt aus dem Jahr hervor zu gehen und etliches an Wissen zu erwerben – ob digital oder analog.
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